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Dienstag, September 18, 2012

So wirbt man nicht für mehr Theaterbesucher!

Anläßlich der Wiedereröffnung des Großen Hauses berichtet am 18. September 2012 Renate Gundlach in www.das-ist-rostock.de unter anderem folgendes (stark gekürzt wiedergegeben):

Wo High-Tech auf DDR-Charme trifft

... bröseligen Wänden, die den Anstrich aus DDR-Zeiten tragen. Sprinklerköpfe auf Rautentapete, die in den 1970er-Jahren als letzter Schrei galt. Feuerfeste Türen aus Glas und Stahl neben Fenstern, von denen die Farbe abblättert und das Rahmenholz gleich mit...

Am Eingang zum Hauptfoyer erklärt er die Lautsprecher an der Decke, über die im Fall der Fälle eine freundliche, besonnenen Frauenstimme zum Verlassen des Hauses aufrufen würde. Die Qualität dieser Lautsprecher übersteigt die der Akustik im Großen Saal, von den Probebühnen ganz zu schweigen...

Die Garderobe der Tänzerinnen nach der Brandschutzsanierung: Leitungskanäle für Sprinkleranlage, Lüftung, Lautsprecher auf einer Wand, die nach der Montage nicht nachgemalert wurden...

Vor allem dort, wo das Publikum keinen Zutritt hat, atmet das Gebäude den Charme eines alten DDR-Ferienlagers. „Die Duschköpfe stehen unter Denkmalschutz“, sagt Stefan Rosinski in den Duschen... „Das ist unsere Solistengarderobe, in der unsere Starsänger auf ihren Auftritt warten“, kommentiert er, nachdem er die Tür in das Kabuff aufgestoßen hat: dunkelgelbe Vorhänge mit braunen Sprenkelchen, durchgesessenes Plüsch-Polstersofa, Schminktisch mit Sprelacart-Furnier, an die Wand gelehnte Standspiegel, die sich ihren Platz auf dem Sperrmüll redlich verdient hätten.

In der Garderobe der Tänzerinnen umgibt ungeglätteter, grauer Putz die Waschbeckenspiegel an der Wand. Oben draufgesetzt ein Kabeltunnel, der unter anderem die High-Tech-Sprinklerköpfe versorgt, die im Notfall 40 000 Liter Wasser im Haus verteilen, das in einer Wanne im Keller steril gehalten wird...

... was alles noch gemacht werden müsste. „Am dringendsten wäre die Bühnentechnik. Sie ist auf dem Stand der 1940er-, 1950er-Jahre“, sagt er. Und auch, dass eine Kernsanierung 40 Millionen Euro kosten würde. „Das halte ich aber nicht für sinnvoll. Dann hätten wir ein teuer saniertes Haus mit viel zu kleinem Bühnenraum.“ Für ihn gibt es nur zwei Alternativen: neues Theater bauen oder bald kein Theater mehr..."

Zugegeben, ich habe alle positiven Aussagen über die neue Brandschutztechnik und die Renovierung der Publikumsbereiche herausgekürzt - um deutlicher zu machen, was mich sehr ärgert: Wem beim Lesen dieser Textpassagen nicht gruselig wird und er lieber nicht in ein solch desolates Gemäuer geht, dem ist wohl nicht zu helfen. Viele potentielle Besucher dürften die Informationen in dieser Form und zu diesem Zeitpunkt (Wiedereröffnung!) abschrecken. Wie denn auch der ermunternde Ausblick: Neubau oder wir haben bald kein Theater mehr. Ein Zustand, auf den offenbar viele hinarbeiten!

PS. Noch einmal das Gedankenspiel, was wohl wäre, wenn das alte Stadttheater noch existieren würde: Kein Brandschutz, alles noch viel älter und verbrauchter, nicht einmal Sprelacart-Furnier, Bühnentechnik aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg (oder älter...) - wie würde dann wohl Frau Gundlach für einen Theaterbesuch "werben"?

Posted by Dr. Günter Hering at 16:13
Categories: Großes Haus