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Freitag, März 11, 2011

Theater um das Große Haus

Theater um das Große Haus

Ein anonymer Leserbriefschreiber beklagte unlängst „die einseitigen Diskussionen um die abrupte, aber richtigerweise konsequente Schließung des VTR ... Jeder einzelne Vorstellungstag hätte zu einer Katastrophe führen können, eine achtlos weggeworfene Kippe, ein technischer Defekt o.ä. Wenn Menschen verletzt würden oder gar um’s Leben gekommen wären, ja dann hieße es: »Warum haben die Verantwortlichen nicht gehandelt, um das zu verhindern, sie haben es doch lange genug gewusst! Jetzt hat der Staatsanwalt das Wort, jetzt müssen Köpfe rollen!«“

Ganz so einfach ist es aber nicht.

Als Begründung für die überraschende Schließung wurde in der Presse das aktuelle Brandschutzgutachten genannt. Wer aber auch nur kurz in das Brandschutzkonzept (Konzept, nicht nur Gutachten!) vom 21.9.10 (!) hineinschaut, wird eines Besseren belehrt. Der Verfasser des Konzeptes stellt zunächst fest, dass die bisherigen Umbauten (1975) „unter Berücksichtigung der damals rechtskräftigen baulichen Regelwerke“ erfolgten. „In den Jahren 1996 bis 2009 fanden wiederkehrende Prüfungen statt, in deren Verlauf Abweichungen von heute gültigen Regelwerken … festgestellt wurden. In Verbindung mit der letzten wiederkehrenden Prüfung (September 2009) wurden die Betreiber des Volkstheaters Rostock von der Abteilung Bauordnung des Bauamtes der Hansestadt Rostock darauf hingewiesen, dass aufgrund der festgestellten Mängel gegen die weitere Nutzung des Gebäudekomplexes im jetzigen baulichen Zustand erheblich brandschutztechnische Bedenken bestehen und dass ein weiterer sicherer Betrieb als Versammlungsstätte gegenwärtig als nicht gewährleistet angesehen wird“ (ebenda. Anmerkenswert auch: Erst nach der Theater-GmbH-Gründung wurde „der Betreiber“, also die GmbH, von der Stadtverwaltung auf Brandschutzmängel hingewiesen. Die bestanden zwar auch schon vorher, aber dann hätte ja die Stadtverwaltung sich selbst darauf hinweisen müssen).

Das Brandschutzkonzept geht in 18 Punkten detailliert auf alle notwendigen Maßnahmen ein, die teilweise bauliche Veränderungen notwendig machen, teils aber auch durch rein organisatorische Maßnahmen (wie z.B. Rauchverbot) realisiert werden können.

Den Ausführungen des Brandschutzsachverständigen ist nicht zu entnehmen, warum das Große Haus per Dekret über Nacht geschlossen werden musste. Das Brandschutzkonzept datiert vom 21. September 2010. Zwischen Schließung und Konzeptvorlage liegen also vier Monate, in denen angeblich oder wirklich Menschenleben gefährdet wurden. Mehr noch: Bereits im September 2009, also vor 16 Monaten, wurde „ein weiterer sicherer Betrieb als nicht gewährleistet angesehen“. Warum erst jetzt die abrupte Schließung? Um uns Bürgern das leicht irreal anmutende Stadthafenkonzept (Tunnel und Fußgängerbrücke mit potentiellem Theaterneubau) verkaufen zu können? Oder warum sonst?

Ich glaube, die eingangs zitierte Leserzuschrift muss im entscheidenden Punkt leicht umformuliert werden: „Warum haben die Verantwortlichen nicht rechtzeitig gehandelt, sie haben es doch lange genug gewusst! JETZT hat der Staatsanwalt das Wort, JETZT müssen Köpfe rollen!“ Haben Sie schon Anzeige erstattet, Herr Anonymus?

Und natürlich muss JETZT die zügige „Ertüchtigung“ des großen Hauses erfolgen. Geld ist schließlich genug da. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema.

G.H.P. / Stadtgespräche Rostock